Roman Steiner – Skarab Therapie und Coaching

Roman Steiner

Veröffentlicht: 20 Mrz, 2024

In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung Licht in unseren Darm gebracht, und beinah Unvorstellbares zutage gefördert.

Wir bestehen zum größten Teil aus Mikroben, die – im Gegensatz zu der landläufigen Meinung, durchaus hilfreich, ja, unverzichtbar für unser Leben sind.

Diese tummeln sich in unserem Darm, vor allem im Dickdarm.

Im Laufe unseres Lebens tragen wir Mikroben in unserem Darm herum, die dem Gewicht von 5 afrikanischen Elefanten entsprechen(!) Diese Mikroben beeinflussen unser Körpergewicht, haben einen entscheidenden Einfluss auf unsere Immunabwehr, unsere geistige und körperliche Gesundheit, unseren Umgang mit andern Menschen und unserer Umwelt.

Viele Krankheiten und Ungleichgewichte wie Übergewicht, Autismus-Spektrum-Erkrankungen, Formen von „Geisteskrankheit“, natürlich Verdauungsbeschwerden, aber auch Allergien, Autoimmunkrankheiten und sogar Krebs, haben ihre Wurzel in einem Ungleichgewicht der Darmmikrobiota.

Unser Darm hat sein eigenes Nervensystem (enterisches NS), das aus 50-100 Millionen Nervenzellen besteht (eben so viele wie das Rückenmark) und auch als „zweites Gehirn“ bezeichnet wird.

Die Darmschleimhaut enthält eine enorme Anzahl endokriner Zellen (alle zusammen größer als alle anderen endokrinen Organe *1 – Keimdrüsen, Schilddrüse, Nebenschilddrüse und Hypophyse – zusammen), die bis zu 20 verschiedene Hormone produzieren.

Sie speichert 95% des Serotonins (unser „Glückshormon“, verantwortlich für unsere Stimmung, eine gesunde Darmfunktion, die koordinierte Kontraktion des Darms, unseren Schlaf, Appetit sowie unser Schmerzempfinden).

Der Darm als Sinnesorgan/ die Darm-Hirn-Achse

Der Darm ist ein Sinnesorgan, wie unsere Haut. Von allen unseren Sinnesorganen hat er die größte Oberfläche (die Größe eines Basketballfelds!).

Tausende von kleinen Sensoren codieren die gewaltige Menge an Infos, die unser Essen enthält.

So erfolgt eine ständige Sammlung von Informationen über Nahrung und Umgebung mit Hilfe von den Signalmolekülen unserer Darmbakterien: Es wäre zwar möglich, ohne Darmbakterien zu leben, aber unsere Gehirnentwicklung wäre dann massiv gestört.

Denn der Darm kommuniziert ständig mit unserem Gehirn über die sogenannte „Darm-Hirn-Achse“.

Nervernstränge laufen vom Darm zum Gehirn und zurück

Hormone und Entzündungsmoleküle werden vom Gehirn aufgrund von Signalen des Darms gebildet. Sie wiederum erzeugen Empfindungen im Darm, die das Hirn speichert Es gibt also eine ständige wechselseitige Kommunikation.

Man kann sagen: Das Hirn trifft Entscheidungen auf der Grundlage von Darmsignalen!

So beeinflusst der Darm unser Wohlbefinden, unserer Emotionen, sowie intuitive Entscheidungen. Der Darm kann also gleichzeitig Informationen empfangen und „Bauchentscheidungen“ aussenden.

Der Darm und das Immunsystem

Darmbakterien haben einen entscheidenden Einfluss auf unser Immunsystem.

Das muss einen nicht verwundern, da 80% des Immunsystems im Darm angesiedelt ist.

Dabei enthält der Darm mehr Immunzellen als das Blut und das Knochenmark.

Eine wesentliche Aufgabe des Darms also ist die Abwehr von ungünstigen äußeren Einflüssen, mit denen er über die Nahrungsaufnahme ständig konfrontiert ist.

Allgemein gilt, dass unsere Darmflora das Immunsystem tendenziell eher beruhigt und hemmt.

Einerseits also beschützen uns die Darmbakterien vor schädlichen Fremdeinflüssen, andererseits bewirken sie, dass unser Immunsystem nicht ständig alles abwehrt, sozusagen „ammok läuft“, wie das bei Allergien und einigen Autoimmunkrankheiten der Fall ist.

Die Mikrobiota

Der Begriff Mikrobiota hat den der „Darmflora“ ersetzt. Der Darm wird besiedelt von Bakterien, Archaeen *2, Pilzen, Viren: sie alle zusammen bilden die Darmmikrobiota.

„Unsere“ Mikroorganismen übertreffen uns weit an der Zahl (Im Darm leben 100 000mal mehr Mikroben als Menschen auf der Erde!)

Es gibt mehr als 100 Billionen Mikroben im Dickdarm. Ungefähr die gleiche Anzahl von Zellen, die unser Körper insgesamt besitzt (die roten Blutkörper mitgerechnet). Allerdings sind sie kleiner als die Körperzellen. Deshalb wiegen alle zusammen „nur“ etwa soviel wie das Gehirn.

Die 1000 Bakterienarten, die die Mikrobiota bilden, enthalten mehr als 7 Millionen Gene; auf jedes menschliche Gen kommen bis zu 360 Bakteriengene. Weniger als 1 % der Summe aller menschlichen und mikrobischen Gene (Hologenom *3) sind menschlichen Ursprungs. Ihre Anzahl entspricht denen einer Fruchtfliege.

Keine 2 Menschen haben die gleiche Darmmikrobiota. Ihr Aufbau hängt ab von

  • der Mikrobiota der Mutter
  • der Mikrobiota anderer Familienmitglieder (Mitglieder desselben Haushalts)
  • der Ernährung
  • der Aktivität des Gehirns bzw. unserem Gemütszustand

Ein gesundes Darmmikrobiom ist gekennzeichnet von Vielfalt und Fülle der Mikrobenspezies.

Mikrobische Vielfalt wiederum geht mit Stabilität und Resilienz *4 einher, also einem stabilen, gesunden Zustand.

Ein Mensch hat nur 10% seiner Darmmikrobenspezies mit anderen Menschen gemeinsam.Die Zusammensetzung unserer Darmmikrobiota bleibt im Wesentlichen ziemlich stabil, aber die Signalmoleküle, die unsere Mikroben bilden, die Metaboliten *5 , verändern sich Laufe des Lebens.

Der „Mikrobenjargon“

Mikroben können über Moleküle mit uns kommunizieren!

Gehirn, Darm und Mikroben, Verdauungsorgane, Immunsystem und Nervensystem kommunizieren miteinander über den sogenannten „Mikroben-Jargon“, eine gemeinsame biochemische Sprache.

Die Darmmikroben beeinflussen unsere Emotionen, indem sie Signale erzeugen und modulieren, die der Darm dem Gehirn übermittelt (s.o.).

So kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen unseren Emotionen und den Reaktionen unseres Darms: emotionale Zustände, wie zum Beispiel Depressionen, können durch Darmsignale verstärkt bzw. verlängert werden.

Darmmoleküle beeinflussen über das Gehirn also nicht nur unseren Appetit, sondern gleichsam Emotionen, unser Verhalten und den Geist: unser Denken, und die Schlüsse, die wir ziehen.

Der „Migrierender motorischer Komplex“ (MmK)

Der MmK ist das „Putzpersonal“ des Körpers. Es handelt sich um eine Druckwelle, die zwischen den Mahlzeiten alles hinaus fegt , was der Magen nicht auflösen, oder hinreichend zerlegen konnte (unerwünschte Mikroben im Dünndarm z.Bsp. , die aus dem Dickdarm nach oben gewandert sind).

Sie setzt ein , wenn sich im Magen-Darm-Trakt keine Nahrung mehr befindet (nach ca. 17 Stunden). Wenn wir für diese Dauer keine Nahrung zu uns nehmen, bewegt sich diese Welle alle 90 Minuten langsam von der Speiseröhre zum Enddarm und übt dabei so viel Druck aus, dass sie Paranüsse zerdrücken könnte.

Die Metaboliten

Metaboliten sind Signalmoleküle, die die Darmmikroben mit Hilfe ihrer zahlreichen Gene erzeugen. Sie haben einen Einfluss auf den Magen-Darm-Trakt, das Blut, beeinflussen jedes

Organ und nicht zuletzt das Gehirn. Sie können in ihrem Zielorgan eine leichte Entzündung verursachen, und so Adipositas, Herzerkrankungen, chronische Schmerzen und degenerative Gehirnerkrankungen herbeiführen.

Das Darmmikrobiom kann etwa 500 000 verschiedene Metaboliten *5 produzieren. Zusammengenommen ergeben sie das neuroaktive „Metabolom“.

Die Metaboliten werden von ca. 7 Mio. Genen produziert (20 000 hat das menschliche Genom). Etwa 40 % der Metaboliten werden also nicht von unseren eigenen Zellen und Geweben programmiert. Einen wichtigen Einfluss darauf welche Stücke dieses Orchester (die Signalmoleküle unserer Darmmikroben) in was für einer Qualität spielt, hat die Nahrung, die wir zu uns nehmen.

*1 endokrine Organe sind Organe, die Hormone ans Blut abgeben.

*2 Archaea sind einzellige Organismen, die nicht – wie eukaryotische Zellen – einen Zellkern mit Kernmembran haben, sondern, wie auch die Bakterien, in sich geschlossene DNA-Moleküle (zirkuläre Chromosomen), die im Zellplasma als Kernäquivalent ohne Hülle vorliegen. Archaeen und Bakterien werden auch „Prokaryoten“ genannt.

*3 Das Hologenom (auch „Holobiont“)ist ein biologisches System, das aus einem Wirtsorganismus und einer Mehrzahl mit diesem eng zusammenlebenden Arten besteht.

Die aktuelle Forschung in den Lebenswissenschaften legt nahe, dass alle Eukaryoten (Lebewesen, deren Zellen über einen Zellkern verfügen: Tiere, Pflanzen, Menschen, s.o.) mit ihren förderlichen Prokaryoten (Lebewesen, deren Zellen über keinen Zellkern verfügen: Bakterien und Archaea), möglicherweise unter Einschluss der Viren, eine Lebensgemeinschaft bilden, vielfach sogar auf sie angewiesen sind.

*4Resilienz bedeutet Widerstandskraft; also die Fähigkeit, schwierige und herausfordernde Situationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen.

*5 Metaboliten sind chemische Signale, die die Darmmikroben aussenden, meist unter
dem Einfluss von Enzmen, die von den Darmbakterien produziert werden.
Jedes Enzym hat eine bestimmte Aufgabe, z.Bsp. Proteine aufzuschließen, oder
Vitamine herzustellen.

Die Fakten über den Darm entsprechen neuesten Forschungsergebnissen und entstammen im Wesentlichen folgenden Büchern:

Emeran Mayer, „Das zweite Gehirn“ ,

Alanna Collen, „10 % human“

Michael D. Gershon, „The second brain“

Gregor Hasler, „Die Darm-Hirn-Connection“

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