Die Darm-Mikrobiom-Gehirn-Achse und Dysbiose
Die Darmmikrobenzusammensetzung kann nach Darmerkrankungen ihren gesunden, stabilen Zustand einbüßen: das bezeichnen wir als eine „Dysbiose“.
Eine wichtige Rolle dabei spielen Antibiotika, die häufig vorschnell und unnötig verschrieben und eingenommen werden. Akut kann Antibiotikagabe zu schweren Durchfällen und Darmentzündungen führen.
Vor allem aber verringert sich durch sie auf lange Sicht die Anzahl der „normalen“ Darmbakterien, und tendenziell schädliche Gruppen wie Clostridium Diffizile *6 nehmen überhand.
Wichtig für die Gesundheit des Darms jedoch ist die Vielfalt innerhalb der Mikrobiota!
Eine anhaltende Dysbiose, häufig in Verbindung mit entzündlichen Veränderungen an der Darmschleimhaut, spielt eine entscheidende Rolle bei Erkrankungen wie der Colitis Ulzerosa, Morbus Crohn und dem Reizdarmsyndrom, das im Wesentlichen auf eine Störung der „Darm-Hirn -Achse“ zurückzuführen ist und immerhin 15 % der Weltbevölkerung betrifft.
Rolle der Emotionen/Traumata
Die Prägung der ersten Kindheitsjahre scheint bei Darmstörungen eine besondere Rolle zu spielen: ungelöste, unbewusste Traumata aus der Kindheit, wie Vernachlässigung oder Missbrauch, spielen bei Magen-Darm-Beschwerden wie dem Reizdarmsyndrom überdurchschnittlich häufig eine Rolle, Studien zufolge in 60% der Fälle.
Das erklärt, wieso eine Therapie des Darms sich nicht immer in Maßnahmen wie einer Darmreinigung oder Ernährungsumstellung erschöpft.
Vielmehr kann es manchmal notwendig sein, einen Umgang mit den Überbleibseln emotionaler Erfahrungen in Jugend und Kindheit zu finden, um Darmstörungen zu behandeln.
Auch Achtsamkeitsübungen oder Meditation können dabei eine wichtige Rolle spielen.
Die Bedeutung von Stress
Untersuchungen ergaben eine besonders enge Beziehung zwischen dem Stressniveau von Müttern im Umgang mit ihren kleinen Kindern, wie auch in der Zeit der Schwangerschaft, und der Art & Weise, wie das Nervensystem des Kindes später auf Stress reagierte.
Die Übertragung von Stressauswirkungen von einer Generation auf die nächste fällt in das Forschungsgebiet der „Epigenetik“: über die Markierung bestimmter Gene, die für die Stressreaktion zuständig sind, und die von Generation zu Generation weiter gereicht werden, können epigenetische Veränderungen hervorgerufen werden, die mehrere Generationen andauern.
Stress im Mutterleib kann demzufolge Ängste und Depressionen, bis hin zu Schizophrenie und Autismus-Spektrum-Erkrankungen zur Folge haben.
Darüber hinaus trägt auch dauerhafter, als negativ erlebter Stress im Erwachsenenalter zur Reduktion der Vielfalt unserer Darmmikrobiota bei.
Rolle von Antibiotika
Grundsätzlich schädigen „Antibiotikakuren“, besonders mit Breitbandantibiotika, die Darmmikrobiota nachhaltig, indem sie viele der weniger dominanten Bakterienstämme vernichten, und so die Vielfalt der Mikrobiota massiv reduzieren. Das kann nachträglich zur Entwicklung verschiedenster Krankheiten beitragen, am häufigsten aber zu Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
Breitbandantibiotika sind die wichtigste Ursache für eine reduzierte bzw. eine krankhaft veränderte Darmmikrobiota.
Außerdem scheint es einen Zusammenhang zu geben zwischen Antibiotikagabe und Emotionen wie Angst.
Bestimmte Mikroorganismen sind in der Lage, den Neurotransmitter GABA zu produzieren, der das limbische System *8 des Gehirns mit im Gleichgewicht hält.
Wahrscheinlich treten Angsstörungen deshalb oft als eine Folge der – nach Antibiotikagabe gestörten – Darmmikrobiota auf.
In diesem Zusammenhang läßt sich auch auf die Bedeutung positiver Emotionen hinweisen: Die Signale, die durch sie an unsere Darmmikroben gesendet werden, verbessern vermutlich unseren Schutz vor Darminfektionen, Darmentzündungen und anderen Krankheiten.
Bedeutung von Geburt/Stillen für die Darmmikrobiota
Das vaginale mikrobische Milieu der Mutter versorgt den Darm des/der Neugeborenen mit Mikroorganismen, und überträgt so ihren Schutz und ihre Abwehr auf das Kind.
Bei einem Kaiserschnitt fällt diese Übertragung vollständig weg.
Spezifische Moleküle in der Muttermilch fördern außerdem den Wachstum der Mikroorganismen so lange, bis das Kind seine eigene, einzigartige Mikrobiota aufgebaut hat.
Das Stillen von Kindern kann möglicherweise die Kommunikation zwischen dem Darm, der Mikrobiota und dem Gehirn positiv verändern und die Entwicklung wichtiger Schaltkreise/Systeme im Gehirn fördern.
Langzeitstudien ergaben: Je länger ein Kind gestillt wird, umso größer ist sein Gehirn, und umso erfolgreicher ist seine kognitive Entwicklung
Die Rolle der Muttermilch, die Pro-und Präbiotika *7 enthält, ist für die Entwicklung der Darmmikrobiota also von wesentlicher Bedeutung.
Das Mikrobiom wird in der Kindheit programmiert. Aber: Darmmikroben und ihre Verbindung zum Gehirn bleiben ein Leben lang flexibel und anpassungsfähig.
*6 Clostridium difficile(Einer der häufigsten Krankenhauskeime) ist der häufigste Erreger nosokomialer und Antibiotika-assoziierter Durchfallerkrankungen.
*7 Probiotika sind Zubereitungen (Produkte), die lebende Mikroorganismen enthalten.
Präbiotika sind Stoffe, die von Wirtsmikroorganismen genutzt werden, also eine Art Nahrungsquelle für die Mikroorganismen darstellen (meist Kohlehydrate/Ballaststoffe).
Die Fakten über den Darm entsprechen neuesten Forschungsergebnissen und entsstammen im Wesentlichen folgenden Büchern:
Emeran Mayer, „Das zweite Gehirn“ ,
Alanna Collen, „10 % human“
Michael D. Gershon, „The second brain“
Gregor Hasler, „Die Darm-Hirn-Connection“
0 Kommentare